Zum Nachdenken

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Trotz einer am Ende doch sehr lustigen Stunde, möchte ich heute einen etwas nachdenklichen Artikel schreiben und erzählen, wieso die Stunde auch eine ganz andere Wendung hätte nehmen können…

Heute saßen, als ich kam, schon drei gut gelaunte Damen im Kreis, eine vierte (vor sich hin brabbelnd) wurde gerade im Rollstuhl gebracht. Noch bevor sie im Kreis abgestellt wurde, änderte sich schlagartig die Stimmung. Die vorher fröhlich plaudernden Damen fingen an zu schimpfen, die soeben dazugekommene gehöre nicht hierher, sie solle wieder weggebracht werden. Böse riefen sie ihr zu, sie solle den Mund halten. Leiser, aber für mich gut hörbar, drohten sie, dass sie nicht mehr kämen, wenn „die dort“ dabei sei. Bei anderen Bewohnern, die vorbeigingen (die gar nicht zur Gruppe gehören), erklärten sie  mir, dass sie gar nicht herkämen, weil „die da“ sitzt.

Eine äußerst unangenehme Situation für mich, und das zu Beginn der Stunde! Ich wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte und stellte die Dame neben meinen Platz, um mich besonders um sie kümmern zu können bzw. sie schnell wegbringen zu können, falls die Situation eskalieren würde.

Dann kamen noch einige Teilnehmer und mit dabei eine neue Dame, von der mir gesagt wurde, dass sie auch öfters aggressiv und laut reagiert. Auch Frau J. kam dazu, die ebenfalls sehr laut und intensiv meine Aufmerksamkeit während der Stunde fordert.

Alles in allem „beste“ Voraussetzungen für eine entspannte Einheit!

Ich begrüßte alle noch einmal sehr herzlich und bat dann die „alten Hasen“ das Begrüßungslied kräftig mitzusingen. Ausbeute – mager!

Beim Marschieren zur Musik war die geringe Motivation auch noch deutlich spürbar. Sogar Frau R., die immer mit sehr viel Energie und Elan marschiert und die gymnastischen Übungen ausführt, zeigte heute wenig Lust daran. Auch der sonst immer beliebte Wollball konnte heute nicht viel in Schwung bringen.

Ich dachte mir „Friss Vogel oder stirb!“ und begann das Material auszugeben – heute Schuhlöffel. Kaum hatten die Teilnehmerinnen etwas in der Hand, und das ist ja immer faszinierend obwohl ganz natürlich, begann jede/r sich damit zu beschäftigen. Sofort wurde ein Wandel in  der Atmosphäre spürbar. Die Aufmerksamkeit richtete sich primär auf den Gegenstand in der eigenen Hand und nicht mehr auf die „unerwünschte Person“ im Kreis. Ein wenig erleichtert atmete ich auf und die Stunde kam gut ins Laufen. Die brabbelnde Frau wurde ebenfalls ruhiger. Natürlich war dann nicht alles eitel Sonnenschein bis zum Ende. Bei jedem lauteren Brabbeln wurde zumindest ein „Pscht!“ gezischt oder ein böser Blick geworfen. Aber im Großen und Ganzen konnte ich meine Vorhaben gut umsetzen und die Leute brachten ihre Ideen mit ein.

Zum Abschluss konnten wir dann doch auch alle gemeinsam wieder sagen: „…mit Ihnen war es wunderschön!“

 

Auf der Heimfahrt ging mir Einiges durch den Kopf. Natürlich möchte ich, dass alle wieder gerne in meine Stunden kommen. Ich möchte auch auf keinen Fall jemanden ausgrenzen. Lärm oder Brabbeln stört mich persönlich in der Arbeit nur wenig. Ich kann das bis zu einem gewissen Grad ausblenden. Versetze ich mich aber in die Lage der Teilnehmerinnen, kann ich sie auch ein Stück weit verstehen. Sie hören diesen „Lärm“ den ganzen Tag und sind vielleicht froh, ihm wenigstens für die Dauer der Einheit entfliehen zu können. Wenn man nicht gut hört, ist es auch umso schwieriger, der Gruppenleitung rein akustisch folgen zu können. Teilnehmerinnen, die nicht gut sehen, müssen sich ebenso auf das Hören verlassen.

Wie ich in der Situation wirklich damit umgehe, muss ich einfach spontan entscheiden. Heute hatte ich Glück, das Ignorieren der bösen Kommentare und Weitergehen zum Austeilen des Materials hat gewirkt und gut funktioniert. Ein anderes Mal werde ich wohl freundlich, aber bestimmt sagen müssen, dass ich in meiner Stunde keine Beschimpfungen tolerieren kann.

Aus meiner Praxis im Kindergarten und Hort weiß ich, wie gemein Kinder oft zueinander sein können. Auch aus Schule bzw. Beruf  kennt man das. Schnell fällt der  Begriff „Mobbing“. Es zieht sich wirklich durch alle Alterskategorien.

Seien wir uns dessen bewusst und handeln wir danach!

 

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